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#1 Das Unerwartete managen – wie Du dein Projekt in schwierigen Kontexten erfolgreich gestalten kannst

Vorhaben in fragilen oder schwierigen Kontexten sind nicht einfach zu managen – das wissen wir von unseren Projekten in Afghanistan, Irak, Kongo, Südsudan, Jemen und anderen Krisen- und Konfliktgebieten. Hier zeigen sich die Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit am deutlichsten. 

Ich finde, diese Lernerfahrungen lassen sich gut auf andere “nicht-Krisenländer” übertragen. Wie? Indem wir Prinzipien für unser Engagement ableiten. 

Als Projektverantwortliche:r kennst du das sicherlich. Du hast permanent das Gefühl, immer einen Schritt der Entwicklung hinterher zu sein und nur noch als Problemlöser zu agieren. 

Die Komplexität der Situation tut ihr übriges; meist kannst du noch nicht mal alle verfügbaren Informationen angemessen erfassen, geschweige denn berücksichtigen. Es ist einfach zu viel. 

Klar, niemand kann in der Jahresplanung die zahlreichen unbekannten Größen im Vorfeld voraussehen. Es gibt so viele Sachen, die wir einfach nicht auf dem Schirm haben - auch wenn wir eine gründliche Risikoanalyse gemacht haben. Kopfschmerzen bereiten uns meist jene Sachen, die so nicht mitgedacht und mitgeplant waren und von daher eine unwillkommene Störung darstellen. Sie sind das Unerwartete.

Dies müssen nicht immer große Ereignisse sein wie der Ausbruch von kriegerischen Auseinandersetzungen oder schweren Unwettern. Oftmals sehe ich in der Praxis, dass auch “kleine” Änderungen "große" Auswirkungen haben können. Das kann ein unverhältnismäßig langer Rekrutierungsprozess von Personal sein, komplizierte Beschaffungsprozesse, um den geltenden Standards zu genügen, aber auch Änderungen beim Geldgeber oder mangelndes Commitment beim Partner, obwohl alles durchgesprochen war. 

Gleichwohl muss das Vorhaben in diesem Kontext gesteuert werden. Als Projektleiter:in ist es deine Verantwortung, Resultate zu produzieren und vereinbarte Ziele zu erreichen. Dein Projekt soll letztendlich einen positiven Veränderungsprozess anstoßen. 

Wie also kannst du dann das Unerwartete managen? Das Unerwartete ist ja in deinen Augen erstmal höchst unwahrscheinlich und entzieht sich damit der Berechenbarkeit. 

Ich bin davon überzeugt: Wenn wir eine Herausforderung nicht instrumentell lösen können, müssen wir uns bereits vorher wappnen, um dann angemessen mit der Herausforderung umgehen zu können.  

Folgende Grundprinzipien können Dir helfen, mögliche Fallgruben frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegensteuer zu geben:

Organisationale Achtsamkeit beginnt bei der Strategieentwicklung! 

Planung in schwierigen Kontexten gelingt am besten, wenn du in Szenarien denkst. Vielleicht kennst du es: Szenarien kannst du qualitativ (low, average, high) oder quantitativ (z.B. die Grösse der Zielgruppe) festlegen. Du kannst sogar eigene Kriterien entwickeln, beispielsweise kontextbezogene Kriterien. Um in diesen Szenarien die sogenannten unbekannten Grössen benennen zu können, empfehle ich, erfahrenes Personal in die Strategieentwicklung einzubeziehen. Die Vorwegnahme möglicher Szenarien basiert hauptsächlich auf einem intuitiven Erfassen der Situation. Auch wenn wir gewohnt sind, in kausalen Wirkungsketten zu denken: Unser Bauchgefühl und die Erinnerung an frühere, vielleicht vergleichbare Situationen geben uns durchaus Hinweise, wo sich mögliche Fallgruben verbergen könnten. So lassen sich realistische Handlungsoptionen ableiten und man wirkt der generellen Selbstüberschätzung hinsichtlich der Möglichkeiten von Kontrolle und Steuerung entgegen.

Weiter unten gibt es ein PDF wie du mit einfachen Schritten Szenarien entwickeln kannst - dies muss nicht kompliziert sein, schärft aber den Fokus in der Implementierung. /view/data/7131/Szenarien-Entwicklung.pdf

Ein Überblick über das Kooperationssystem mit seinen verschiedenen Akteuren ist Voraussetzung für eine effektive Projektsteuerung! 

Eine wichtige Fallgrube besteht darin, dass nicht alle Akteure im gleichen Maße an den durch das Projekt initiierten Veränderungen interessiert sind. Es ist nicht selten, dass Akteure wichtige Schritte im Projekt blockieren oder der Unterstützung offen oder verdeckt entgegenwirken. Die Gründe für diese Blockade können vielfältig sein und nicht immer kannst du dich damit auseinandersetzen. Wesentlich ist, dass du die Akteure erkennst, die den Status Quo aufrechterhalten wollen und so den Veränderungen entgegenwirken. Akteure, die Veränderung boykottieren, können sogar die direkten Partner sein. Nicht selten habe ich in Netzwerk Partnerschaften erlebt, dass wertvolle Unterstützungsleistungen auf offene oder verdeckte Ablehnung beim Projektpartner stießen, wenn beispielsweise ein Verlust der eigenen organisationalen Autonomie befürchtet wurde. Hier gilt es, die Projektstrategien entsprechend anzupassen.

Hier kannst du deine Akteursanalyse mit einer klaren Kooperationsstrategie verbinden: Mit wem pflegt ihr eine strategische Allianz und wie? Wer muss regelmäßig informiert werden? Wer ist ein enger Fürsprecher und braucht Hintergrundinformationen? All dies kannst du auch in der Planungsphase festlegen. 

Baue dein eigenes organisationales Frühwarnsystem auf! 

Fehler und Hindernisse gibt es immer und überall. Viel entscheidender ist die Frage, wie die Organisation respektive das verantwortliche Management damit umgeht. Von highly reliable organizations (Organisationen mit hoher Zuverlässigkeit wie die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, der Rettungsdienst usw. ) wissen wir, dass diese ein feines Sensorium für auftretende Fehler und Hindernisse entwickelt haben. Dafür ist eine systematische Auswertung gemachter Fehler oder erfahrener Hindernisse und die Ableitung von angemessenen Reaktionen in den Prozessabläufen notwendig. HRO haben diese Art des Wissensmanagement als Standardprozess eingeführt und geben der Auswertung und Rückkopplung in der Praxis hohe Priorität. Denn sie haben erkannt, dass nur so die Handlungsfähigkeit aufrechterhalten werden kann. 

Du kannst die Interventionen in deinem Verantwortungsbereich ebenfalls nach dem Prinzip der „Highly Reliable Organisation“ gestalten - beispielsweise durch Lernschlaufen am Quartalsende, die du gemeinsam im Team und mit euren Kooperationspartnern organisiert. Was hat geklappt, was hat nicht funktioniert, welche Rückschlüsse ziehen wir für die weitere Implementierung? 

Vertraue deinem Team und achte auf operative Flexibilität!

Was macht erfahrenes Personal erfolgreich? Es ist nicht nur die Fachexpertise, die gegeben sein muss. Wie bei der Strategieentwicklung erwähnt: Erfahrene Kolleg:innen nutzen ihr Fachwissen und ihre Intuition, also das intuitive Wissen über das, was geht und das, was nicht geht. Die Herausforderung besteht darin, dieses Gespür auf Projektebene verfügbar zu machen. Dies gelingt am besten, indem du die operative (Teil)Verantwortung dort ansiedelst, wo das Operative auch stattfindet. Das heißt: Jede:r hat sein oder ihr eigenverantwortliches Aufgabenpaket. Hier muss dann vor allem im Team geklärt werden, wer was macht und für was verantwortlich ist. Diese Festlegung stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein der einzelnen Mitarbeitende, sondern auch das ganze Team. Dies ist eine schöne Aufgabe in Eurer Jahresplanung. 

Ich hoffe, diese Punkte geben dir einige Hinweise, wie du die Jahresplanung an der einen oder anderen Stelle verbessern kannst. 

Herzlichst, Claudia

 

 

PS: Hier gibt es noch mehr mehr Nützliches für Dich.

  • Du möchtest ein Beispiel für die Szenarienentwicklung? Hier gibt es nochmal ein Beispiel für Szenarienentwicklung : /view/data/7131/Szenarien-Entwicklung.pdf
  • Im Februar findet ein kostenloses Onlinetraining  zum Thema “So baust du nachhaltig Kapazitäten auf, die vor Ort einen Unterschied machen und Geldgeber überzeugen” statt.  Dieses Training eignet sich für dich, wenn du das Capacity Development im Projekt strategisch aufsetzen willst oder deine bestehenden Interventionen überprüfen möchtest.
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